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LXEINDMATC

Decision-Making at the Chessboard

207 pages, paperback, Gambit, 1. edition 2003

€11.50
Incl. Tax, excl. Shipping Cost
Discontinued
Chess is a game of decisions. As well as deciding about which move to play and which plan to adopt, players must also make practical decisions about how to use their clock time and whether to use intuition rather than trying to calculate every line to a finish. Viacheslav Eingorn draws upon his vast experience to provide guidance on how to weigh the various factors in positions and decide on the best course of action. He examines many practical examples and explains how the critical decisions were made, and investigates whether they were correct. By following Eingorn on this voyage of discovery, the reader will gain a greater understanding of decision-making and develop an enhanced feel for the harmonious use of intuition and calculation.
More Information
EAN 9781901983876
Weight 300 g
Manufacturer Gambit
Width 14.4 cm
Height 20.9 cm
Medium Book
Year of Publication 2003
Author Viacheslav Eingorn
Language English
Edition 1
ISBN-10 1901983870
ISBN-13 9781901983876
Pages 207
Binding paperback
004 Symbols
005 1 Individuality and Style
024 2 Tactical Complications
049 3 Active Defence
070 4 A Feeling for Danger
091 5 Incorrect Play
115 6 Simple Positions
137 7 In Search of an Idea
157 8 Minds wap
181 9 Analyse This!
206 Index of Players
208 Index of Openings
Die Weltklasse-Großmeister der Gegenwart haben keine Zeit mehr zum Bücherschreiben. Was in den letzten zehn Jahren an gehaltvollen Autobiografien und hervorragend kommentierten Partiensammlungen aus eigener Feder - einst Standard und deshalb immer wieder unter den Klassikern genannt - erschienen ist, läßt sind an den Fingern einer Hand aufzählen.

Nun hat der ukrainische Großmeister Viacheslav Eingorn sein Schatzkästlein geöffnet und eine Auswahl eigener Partien in einer der bemerkenswertesten Neuerscheinungen des letzten Jahres veröffentlicht. In den 80er Jahren war Eingorn (Jahrgang 1956) häufig Teilnehmer an den UdSSR-Meisterschaften (als Karpow und Kasparow regelmäßig mitspielten), belegte dort vordere Plätze und qualifizierte sich 1987 für das Interzonenturnier in Zagreb. Heute ist er weniger aktiv, spielt aber erfolgreich in Open, verschiedenen Mannschafts-Ligen und bei Teamwettbewerben für die Ukraine. Bekannt ist er für seinen subtilen und ausgefeilten Positions-Stil und das Ausquetschen langwieriger technischer Endspiele. "Decision-Making at the Chessboard" ist sein Debüt als Buchautor.

Dargeboten werden 74 eigene Partien aus dem Zeitraum 1972 bis 2002, bei denen der Autor natürlich besonders gut Auskunft über die wahren Abläufe und Denkprozesse während des Spiels geben kann. Ergänzend sind weitere 17 historische Partien anderer Spieler eingeflochten, weitgehend zu Illustration oder Vergleich. Erfreulicherweise einmal ein aktuelles Werk, das ganz ohne Kasparow-Partie auskommt! Da Eingorns ELO-Zahl von etwa 2600 nie ganz für die Top-Twenty reichte, mußte er in den 90er Jahren sein Geld in Open verdienen, und wir finden auch Partien aus Travemünde, Cuxhaven, Hamburg, Erfurt, vom Berliner Sommer bis hin zu Schwäbisch-Gmünd und Oberwart, die in der Fülle von TWIC und Super-GM-Turnieren trotz ihres Gehaltes oft nicht die nötige Beachtung finden.

Leider fehlen jegliches Vorwort oder Einleitung als Hilfestellung und Orientierung. Unvermittelt geht es mit den 9 Kapiteln los, und der Leser muß sich selbst seinen Weg bahnen, um zu beurteilen, wie weit das im Titel selbstgestellte Ziel erfüllt wird, den Denk- und Entscheidungsprozeß am Schachbrett zu untersuchen. Dafür wird man bereits im 1.Kapitel "Individualität und Stil" positiv überrascht. Hier untersucht Eingorn einige vielbesprochene und hochgelobte Klassiker, geht mit ihnen hart ins Gericht und äußert sehr eigenständige Ansichten. Zur Glanzpartie Reti - Aljechin, Baden-Baden 1925, (bekannt als eine der besten Leistungen Aljechins) kritisiert er: "Aljechins Taktik ist bemerkenswert, aber seine Strategie belegt nur den zweiten Platz.", macht einen ausführlichen Verbesserungsvorschlag zu Petrosjan - Bannik, Riga 1958, bereits im 17. Zug, über den viele Bearbeiter kommentarlos hinweggegangen sind, und am Ende der 5. WM-Partie Schlechter - Lasker 1910 lesen wir die erstaunliche Ansicht: "Allgemein verbinden Leute Laskers Erfolge mit Psychologie - völlig fälschlicherweise, wie mir scheint. Seine Art zu spielen (wie später die von Petrosjan) passte einfach nicht in die übliche Schablone schachlichen Standard-Denkens: Angriff, Verteidigung, Positionsspiel." Das erinnert unweigerlich an Hübners Vortrag auf der Lasker-Konferenz in Potsdam und die hierdurch ausgelöste Kontroverse im SCHACH ! Dann folgt eine für Eingorn typische philosophisch-nebulöse Ausführung, die ich im Original zitiere, um das anspruchsvolle Englisch des Buches zu veranschaulichen: "Anything not expressible in wholly concrete und sufficiently graphic terms is very difficult to grasp. Conversely, vivid ideas, striking manoeuvres or even individual moves implant themselves in your memory as soon as you encounter them, and stay there more or less for good." Nun, alles sofort verstanden? Da greift man sicherlich öfter zum Wörterbuch... [Anm.: Alle sonstigen Übersetzungen ins Deutsche stammen von mir.]

Es ist aber nicht immer so abstrakt. Die Partien sind sehr anschaulich kommentiert. Keinesfalls scheut sich Eingorn, auch etliche eigene Verluste zu präsentieren und Fehler und Fehleinschätzungen einzugestehen. Dabei schimmert bisweilen sein sarkastischer Humor durch, wenn er nach einer Niederlage gegen den wilden Angriffsspieler Vitolins, der ihn mit scheinbar völlig antipositionellen Zügen über den Haufen rennt, notiert: "Schwarz versuchte lediglich die Erfordernisse der Position zu nutzen, während Weiß darauf aus war, sie um jeden Preis in die Richtung zu verändern, die er für notwendig hielt." Die Unterschiede im Stil zwischen verschiedenen Spielern kommen auch gut zum Ausdruck, wenn er im folgenden Beispiel zeigt, wie man in derselben Position (einem kritischen Eröffnungs-Abspiel aus dem Lettischen Gambit) mit gleicher Berechtigung zu gänzlich unterschiedlichen Folgerungen und Plänen gelangen kann:

Nimzowitsch,A - Behting,C [C40]
Riga, 1919
[Eingorn]
1.e4 e5 2.Sf3 f5 3.Sxe5 Df6 4.d4 d6 5.Sc4 fxe4 6.Se3! Nimzowitsch kommentiert in "Mein System" (1925): "In Verbindung mit dem folgenden Läufermanöver in jeder Beziehung ein Meisterzug. Auch wenn die ganze Welt 6.Sc3 spielt, betrachte ich dennoch 6.Se3 als beste Fortsetzung, und zwar aus reinen System-Gründen." Ihm gefallen der Blockade-Springer, der Druck auf d5 und die Sprengung mit c2-c4. [ 6.Le2! Bronstein schreibt in "200 Offene Partien" (1969): "Diese Neuerung widerlegt nicht nur eine spezielle Variante, sondern einen ganzen Komplex." 6...Sc6 ( 6...Dg6?? 7.Lh5!) 7.d5 Se5 8.0-0 Sxc4 9.Lxc4 Dg6 10.Lb5+ Kd8 11.Lf4 h5 12.f3 wiederum mit weißem Vorteil in Bronstein,D - Mikenas,V, UdSSR-ch sf Rostow 1941 (1-0 , 25)] 6...c6 7.Lc4! d5 8.Lb3 Le6 9.c4 Df7 10.De2 Sf6 11.0-0 Lb4 12.Ld2 Lxd2 13.Sxd2 0-0 14.f4 mit klarem weißen Vorteil (1-0 , 27)

Einleuchtend Eingorns Erklärung der unterschiedlichen Standpunkte: "Für Nimzowitsch sind die möglichen schwarzen Gegenchancen nach 6.Se3 nicht von fundamentaler Bedeutung - sein 'System' sollte in jedem Fall funktionieren. Bronstein sieht die generelle Idee des schwarzen Aufbaus in dem speziellen Manöver ...Dg6 und denkt, daß es für Weiß die beste Strategie ist, dies zu verhindern. Mit anderen Worten: Nimzowitsch denkt im Moment mehr an die Formierung seiner eigenen Position, während es die gegnerischen Möglichkeiten sind, auf die Bronstein sich konzentriert. Zusätzlich spielt das ästhetische Empfinden der beiden Großmeister keine geringe Rolle. Der eine liebt die Blockade, dem anderen gefällt die Variante 6.Le2 Dg6?? 7.Lh5! ."
Hier versteht ein Buch-Autor offensichtlich etwas vom tiefen Gehalt des Schachspiels und seiner Facetten und weiß dies anschaulich darzulegen!

In Kapitel 2 "Taktische Komplikationen" nehmen seine außergewöhnlichen individuellen Ansichten noch zu. Als großer Stratege begreift Eingorn taktische Verwicklungen als "Fortführung des strategischen Kampfes mit anderen Mitteln" und offenbart unverhohlen seine große Skepsis gegen Korrektheit und Beherrschbarkeit zufällig auftretender Verwicklungen: "Wenn es zur Beurteilung rein taktischer Komplikationen kommt, (...) kann die Platzierung eines einzelnen Bauern oder einer Figur von überragender Bedeutung sein, während allgemeine Betrachtungen in den Hintergrund treten. Taktik ist wie eine Katze, die ihre eigenen Pfade geht. Ein Spaziergang mit ihr ist interessant, doch weiß ein Spieler nicht immer, wo sie ihn hinführt. Glück wird dadurch ein entscheidender Faktor, und das Resultat hängt zu oft vom Zufall ab." An acht Beispielpartien wird gezeigt, wie bei Verwicklungen das Risiko steigt, der Charakter der Stellung sich schnell verändert und Fehler und Übersehen sprunghaft zunehmen. Wann hat man zuletzt von einem Großmeister so offen gehört, daß manche Bereiche der Taktik ein gewisses Glück beinhalten? Hier spricht natürlich ein Meister, der seine Partien in der Regel durch überlegenen Einblick und gediegene Strategie entscheiden will. Für ihn gehören das rechtzeitige Erkennen und Unterbinden möglicher gegnerischer Ausbruchs-Versuche zur guten Technik.

Kapitel 3 "Aktive Verteidigung" widmet sich der schwierigen Frage, wie lange man in schlechterer Lage sich passiv verhalten und dem gegnerischen Treiben zuschauen sollte, und wann man eine aktive Gegeninitiative einleiten muß. An acht eigenen Partien werden gelungene und auch mißlungene Verhaltensweisen diskutiert. Hier zeigt sich wiederum der anspruchsvolle Charakter des Werkes, das sich vorwiegend an versierte Spieler richtet. Wie nützlich ist zum Beispiel für jemanden mit einer Spielstärke unter 1900 der folgende Ratschlag? Eingorn fordert: "In schlechter Position ist es äußerst wichtig, eine hinreichend exakte Prognose für die weitere Zukunft zu formen. Wenn dann die Chance auftaucht, aktiv zu werden, ist es viel einfacher, das strategische Risiko einzuschätzen und seine Entscheidung zu treffen." Das ist für einen schwächeren Spieler wohl kaum möglich. Wie soll er alle Nuancen der Stellung korrekt erfassen und mit Bestimmtheit wissen, ob bei normalem Weiterspielen seine Stellung durchaus haltbar oder bereits hoffnungslos verloren ist ?!

Die folgenden Kapitel widmen sich weiteren schwierigen und fortgeschrittenen Konzepten: "Gefühl für Gefahr", "Inkorrektes Spiel" und "Einfache Positionen", worunter Stellungen mit einem einzigen vorherrschenden Thema verstanden werden.
In den letzten drei Abschnitten hat Eingorn anscheinend Partien untergebracht, die nicht so recht in die vorherigen Kategorien passen wollten. Kapitel 7 "Auf der Suche nach einer Idee", die Übernahme fremder Vorgänger-Ideen unter dem Titel "Mindswap" (Kapitel 8), und zuletzt unter der Überschrift "Analyse This!" 18 schwierige Stellungen ohne Hinweise mit der Aufforderung, sie gründlich selbst zu untersuchen und die Ergebnisse mit Eingorns Analysen zu vergleichen. Wobei ausdrücklich kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, sondern der Leser zu eigenen Untersuchungen aufgefordert wird.

Die Qualität der ausführlichen Partie-Analysen ist sehr hoch, Varianten und Texterklärungen sind reichlich angegeben. Die Betrachtungsweise ist sehr kritisch und differenziert, an Fragezeichen und Verbesserungen wird nicht gespart. Eine gehörige Spielstärke wird allerdings auch hier vorrausgesetzt, Elementares nicht erläutert. Obwohl Eingorn regelmäßig seine Analysen im Schach-Informator (der ja leider nie Korrekturen zu vorherigen Bänden bringt) veröffentlicht hat, ergab eine Prüfung, daß die Partien für das Buch offensichtlich alle neu durchgesehen wurden. Aufgrund zahlreicher neuer taktischer Funde wurden viele Analysen korrigiert, ergänzt oder teilweise komplett umbewertet. Im Zeitalter der Analyse-Engines eigentlich eine Selbstverständlichkeit, beileibe jedoch nicht von allen Autoren beherzigt. Ein kleines Beispiel:

Eingorn,V (2575) - Lin,T (2450) [D27]
Beijing, 1991
[Eingorn]
1.d4 d5 2.c4 dxc4 3.e3 e6 4.Lxc4 Sf6 5.Sf3 c5 6.0-0 a6 7.Ld3 cxd4 8.exd4 Le7 9.Lg5 b5 10.Sc3 Sbd7!? Die damalige Neuerung bekommt im Informator 51/Partie (401) noch ein "?!" 11.d5!? statt vorher "!ƒ" 11...Sc5 [ Das Nehmen mit 11...exd5!? mag riskant erscheinen, ist tatsächlich jedoch gut spielbar: 12.Te1 0-0 weil 13.Sxd5?! Sxd5 14.Lxh7+ Kxh7 15.Dxd5 Lxg5 16.Sxg5+ Kg8 17.Sxf7?! an dem überzeugenden Konter 17...Lb7! scheitert( im Informator wurde nur 17...Txf7 18.Dxa8 mit leichtem weißen Vorteil angegeben) ; Auf 11...b4 ergänzt Eingorn die bemerkenswerte taktische Variante 12.dxe6 Sc5 13.Le4! Scxe4 14.Sxe4 Dxd1 ( 14...Sxe4 15.exf7+ Kxf7 16.Se5+) 15.exf7+ Kxf7 16.Taxd1 Sxe4 17.Lxe7 Kxe7 18.Tfe1 und Weiß erhält sein investiertes Material mit kleinen Zinsen zurück ] 12.Lc2 Sxd5 13.Lxe7 Kxe7? [ 13...Dxe7!? 14.Sxd5 exd5 15.a4! bxa4 ( 15...b4 16.Te1 Le6 17.Dd4 0-0 18.Dxb4 +=) 16.Te1 Le6 17.Lxa4+ Sxa4 18.Dxa4+ Dd7 19.Db4! De7 20.Txa6!? Das Urteil über diese kritische Kombination mußte auch revidiert werden: 20...Dxb4 ( Der Informator führt lediglich an: 20...Txa6 21.Db5+ Dd7 22.Dxa6 0-0 23.Sd4 mit weißem Vorteil) 21.Txa8+ Ke7 22.Txh8 h6 gibt keiner Seite Vorteil. Daraus folgt, daß 13...£e7 wohl erfolgreich die weiße Initiative eindämmt und zum Ausgleich genügt!] 14.Dd4 Dd6 einziger Zug 15.b4! Sxc3 [ 15...Sd7 16.Sxd5+ Dxd5 17.Le4! Dxd4 18.Sxd4 ist auch schlecht für Schwarz] 16.Dxc3 Sa4 17.Lxa4 bxa4 18.Tad1 Db6 19.Dxg7 Tf8 20.Se5 Ta7 21.Td3 Ke8 22.Tfd1 1-0

Besonders auf ihre Kosten kommen werden bei der Lektüre 1.d4-Spieler. Damengambit, strategische Aufbauten in geschlossenen Eröffnungen und Englische Systeme herrschen vor, mit Schwarz bevorzugt Eingorn schwerblütiges Französisch. Auch die Endspiel-Liebhaber werden bedient, viele Partien münden in Turmendspiele. Etliche komplizierte Leichtfiguren-Endspiele (gegen Beljawski, Lwow 1984 und Kiew 1986; gegen Kupreichik, Minsk 1987; gegen Nogueiras, Moskau 1990 und gegen Tukmakow, Nikolajew 1981) und ein unklares Qualitäts-Endspiel gegen Mikhalchishin, Simferopol 1983, werden variantenreich und mit Hinweis auf versteckte Rettungsmöglichkeiten dargelegt. Eingeflochten sind ferner Ausführungen über spezielle bevorzugte Eröffnungs-Systeme wie Grünfeld-Indisch und Damengambit Tartakower jeweils mit 8.Tb1 sowie frühes 5.Dc2 im Damengambit.
Ein übersichtlich strukturiertes Lehrbuch ist es jedoch nicht, die ganzen Anregungen, Hinweise, Weisheiten und Tips sind weitgehend in Text und Analysen eingewoben, und man muß das Buch schon genau durcharbeiten, um alles zu entdecken und auszuwerten.
Wie man sieht, ein wirklich äußerst gehaltvolles Werk eines originellen Denkers mit sehr eigenständigem Stil und starken Ansichten, das man immer wieder an beliebiger Stelle aufschlagen und Neues und Außergewöhnliches fernab jeder Schablone entdecken kann.

Ein klein wenig Wehmut beschleicht einen dann doch, wenn man bedenkt, daß Verlag und Autor mit etwas mehr Aufwand aus dem reichhaltigen Material einen noch brillanteren Traktat hätten machen können als das kleinformatige Gambit-Buch. Zu wenig strukturiert und hervorgehoben oder zusammengefaßt sind die jeweiligen Thesen zu den behandelten Kapitel-Themen (und deshalb gibt's einen halben Stern Abzug). Oft beläßt es Eingorn seinem Charakter entsprechend bei kurzen diffusen Aussagen wie "Komplizierte logische Konstrukte sollten mit Argwohn betrachtet werden, weil sie allzu oft neue Probleme hervorbringen."
Auch der biografische Aspekt kommt reichlich kurz. Eine Aufstellung von Eingorns Turnier-Erfolgen im Anhang wäre schön, und in den kurzen Einführungen zu den Partien erfährt man nichts über nähere Umstände und Turniersituation. Lediglich im Analyse-Kommentar wird hin und wieder auf beidseitige Übersehen oder Fehlbeurteilungen beim Kampfeseifer hingewiesen. Während andere Autoren wie Rowson oder Aagaard sich in der Mitteilung ihrer persönlichen Erlebniswelt gar nicht bremsen können, bleibt Eingorn viel zu zurückhaltend. Lediglich anläßlich seines Sieges gegen Bronstein, Tallinn 1980, amüsiert er sich darüber, daß Bronstein die versteckte Rettung mittels des Turmopfers Txh6+ nicht findet, obwohl sie ihm aus seiner eigenen Partie gegen Kortschnoi, Leningrad 1962, wohlbekannt sein sollte.
Was könnte solch ein Spieler aus seiner langen Laufbahn an einmaligen Geschichten und Erlebnissen berichten! Oder wir müssen abwarten und dürfen bei gutem Verkaufs-Erfolg auf einen Fortsetzungs-Band hoffen...


Fazit: Mit "Decision-Making at the Chessboard" erhält man eine faszinierende Fülle an weniger bekanntem und hochwertig kommentiertem Partie-Material. Leser jeder Spielstärke können es als anspruchsvolle Partiensammlung und Einblick in die Ideen und Denkweisen eines originellen Weltklasse-Großmeisters genießen. Wirklich für die eigene Praxis profitieren werden allerdings erst Spieler ab ca. 2000 aufwärts, die die vielen in Text und Analysen eingewobenen wertvollen Hinweise, Erkenntnisse, Tips und Strategien verstehen, nachvollziehen und umsetzen können. Ein wunderbar gehaltvolles und anregendes Buch!

Sprache: Expert English
Bewertung des Rezensenten: 4,5 Sterne

von Peter Oppitz, Februar 2004

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Vergleichende Rezension zu den Titeln:

Mihail Marin, Secrets of Chess Defence
Alfonso Romero, Creative Chess Strategy
Viiacheslav Eingorn, Decision-Macking at the Chessboard

Es scheint fast, als hätte der Gambit Verlag die Thematik der anspruchsvollen Mittelspielliteratur für sich monopolisiert; ich mag gar nicht mehr all die bereits an dieser Stelle besprochenen einschlägigen Vorgängerwerke aufzählen.\Alle drei Bücher sind von starken Großmeistern geschrieben und zugleich deren erste größere Werke, alle drei bieten anspruchsvolles Lehr- und Studienmaterial für den arbeitswilligen Turnierspieler ab ca. 2100 Elo. Und solche Bücher mit echtem (nicht oberflächlich-populistischem) Einblick in die Werkstatt erfahrener Großmeister lohnen sich allemal! Die Titel darf man jeweils nicht allzu wörtlich nehmen; es handelt sich durchweg um gemischtes Material, ohne starren Blick auf ein bestimmtes Thema. Die Autoren arbeiten jeweils mit eigenen Partien sowie mit Klassikern. Alle drei sind für die Zielgruppe empfehlenswert, haben aber nicht unbedingt das Zeug zum Klassiker - dazu fehlt ihnen durchweg die über das Sachliche hinausgehende literarische Klasse. Themen bei Marin sind die Ökonomie der Verteidigung, Könige im Kampfgetümmel, Wie real ist die Drohung?, Festungen (aus Studien und Partien), Patt und Dauerschach, Defensive Opfer (Dame, Qualität, sogar Figur), das Materialverhältnis Turm gegen zwei Leichtfiguren (nicht unbedingt zum Thema Verteidigung, dafür ist das Motiv in der Literatur ziemlich unterbelichtet), Vereinfachung (z. B. zu Remisendspielen mit Minusbauer), Verteidigung schlechter Endspiele.
Wie man sieht, ist das Thema „Verteidigung" recht allgemein und abstrakt gefasst, die Verteidigung gegen einen direkten Königsangriff nimmt nur einen kleinen Teil des Raumes ein. Marins Ansatz ist mehr analytisch, wer z. B. einfache Rezepte sucht, wie man sich gegen einen drohenden Königsangriff aufzustellen hat, ist hier fehl am Platze. Auch das psychologische Moment kommt ein wenig kurz. Also bestimmt nicht das Buch zur Verteidigung, sondern „einfach" Übungsmaterial aus Großmeisterhand. Romero und Eingorn beginnen beide seltsamerweise mit der Partie Petrosjan-Bannik, UdSSR-Meisterschaft 1958. Wie verschieden die Gesichtspunkte starker Großmeister sein können, zeigt das 17. Zugpaar, in dem Eingorn Fehler beider Seiten sieht, über das Romero jedoch unkommentiert hinweggeht - das soll freilich keine Wertung sein. Themen in Romeros Buch sind u. a. Bauernstruktur, Raumvorteil, starkes Zentrum, Läuferpaar, isolierter Damenbauer (mit 38 Seiten das längste Kapitel), Qualitätsopfer usw. In vielen Kapiteln gibt es nur ein oder zwei Partiebeispiele, diese werden dann jedoch tiefgründig untersucht. Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Vielfalt der Formen der beschriebenen Themen auf der Strecke bleibt. Die im Titel genannten Schlagworte Kreativität und Phantasie sucht man im Inhalt eher vergebens - auch bei Romero verlangt die Vorteilsverwertung vor allem Geduld und Präzision. Nach einigem Schwanken gefällt mir Eingorns Buch innerhalb dieses Trios am besten. Er übertreibt es nicht mit der Analyse, arbeitet stattdessen die Schlüsselpunkte heraus, an denen Großmeister die Weichen stellen (und zwar oftmals auch falsch). Die konkreten Inhalte sind nicht leicht mit Worten zusammenzufassen, seine Kapitelthemen sind Verwicklungen, aktive Verteidigung minimal schlechterer Stellungen, Gefühl für Gefahren, inkorrektes Spiel, übersichtliche Stellungen, Inkonsequenz. Insgesamt lernt man bei Romero wohl mehr über den tiefen Gehalt typischer Stellungen, während das Studium von Eingorns Buch das Gespür für den Verlauf des Kampfes und dessen Wendepunkte schulen sollte.

Harald Keilhack, Schach 01/2004


Als einer der wenigen Top-GMs hatte der bekannte ukrainische GM Eingorn bisher noch kein Buch verfasst. Das hat sich nun mit Decision-Making at the Chessboard geändert. Anders als seine Kollegen beschäftigt er sich mit einem verhältnissmäßig unbekanntem Thema der Schachliteratur, nämlich dem Entscheidungsfindungsprozess. Dabei nutzt Eingorn hauptsächlich seine eigenen Partien. Das ist durchaus nachzuvollziehen, denn schließlich kann er dort am Besten sagen, wie er zu seinen Zügen gelangt ist und was er sich dabei gedacht bzw. übersehen hat. Das Buch enthält weder Einleitung noch Vorwort. Es geht gleich mit den acht Kapiteln „Individuality and Style", „Tactical Complications", „Active Defence", „A Feeling for Danger", „Incorrect Play", „Simple Positions", „In Search of an Idea" sowie „Minds-wap" in Medias Res. Danach folgt noch ein 9. Kapitel „Analyse This", in dem die Mitarbeit des Lesers gefragt ist. Abgerundet wird Decision-Making at the Chessboard durch ein Spieler-sowie ein Eröffnungsregister. Der Inhalt der Kapitel wird durch die Bezeichnungen treffend beschrieben. Nach einer kurzen Einführung in das Thema folgen in der Regel vollständige Partien, bei denen Eingorn an den kritischen Stellen inne hält und den Entscheidungsprozess, der schließlich zu den jeweiligen Zügen fuhrt, verdeutlicht. Der Leser gewinnt dabei Einblicke in den Denkprozess eines Großmeisters, allein das schon macht Decision-Making at the Chessboard interessant. Dankenswerterweise gibt Eingorn auch eigene Fehler zu, die er trotz seiner beachtlichen Spielstärke macht.
Decision-Making at the Chessboard ist ein interessantes und kurzweiliges Buch, das so gut wie jeden Schachspieler, der über das Anfängerstadium hinaus ist, anspricht. Auch der Preis ist mit € 24,95 nicht zu teuer, allerdings ist ein halbwegs vernünftiges Englisch nötig, um in den vollen Genuss des Buches zu kommen.

Thomas Schian, Rochade Europa 01/2004


Der GM und Mathematiker aus Odessa, Viacheslav Eingorn (Elo 2604), hat sein erstes Schachbuch veröffentlicht. Der Verlag sieht in dem Buch das erste, das sich der praktischen Entscheidungsfindung im Schach annimmt. So sollen Grundfragen wie die richtige Benutzung der Schachuhr und der korrekte Mix aus Intuition und Kalkulation während einer Partie geklärt werden. Ersteres war wohl geplant, erscheint aber nicht im Buch. Auch auf die psychologische Seite der Entscheidungsfindung wird im Buch, obwohl der Titel das suggeriert, nicht eingegangen.
Das Buch hat 9 Kapitel: 1. Individualität und Stil, 2. Taktische Verwicklungen, 3. Aktive Verteidigung, 4. Gespür für Gefahr, 5. Inkorrektes Spiel, 6. Einfache Stellungen, 7. Suche nach einer Idee, 8. Meinungsaustausch, 9. Analysieren Sie das! Der Text ist zweispaltig gesetzt mit meist zwei Diagrammen pro Seite, im Anhang sind Verzeichnisse für Spieler und Eröffnungen. Da Eingorn sehr viele eigene (auch verlorene!) Partien untersucht, ist „sein" Damengambit mit 16 Nennungen Spitzenreiter unter den Eröffnungen.
Insgesamt behandelt der Autor auf den 208 Buchseiten akribisch 67 Partien und 29 Fragmente. Wer das komplette Buch durcharbeiten will und Eingorn auch gedanklich Schritt für Schritt bei seinen Analysen folgen will, sollte daher schon ein relativ starker Vereinsspieler sein, um nicht mit dem tief gehenden Lehrmaterial überfordert zu werden.
In den neun Kapiteln setzt der ukrainische GM sehr unterschiedliche Prioritäten. Da sie nicht aufeinander aufbauen, ist ein direkter Einstieg in ein beliebiges Kapitel möglich. In Kapitel 1 widmet sich Eingorn auf rund 20 Seiten den Fragen von Individualität und Stil. Dem Abschnitt gehören 5 Partien v.a. der alten Meister, zwei Varianten einer Eröffnung sowie ein Endspiel an. Der Autor definiert den Spielerstil als individuellen Handlungsplan zur Lösung eines Stellungsproblems, dazu gehören auch die Unzulänglichkeiten im Spiel. Laut Eingorn kann es jedoch keinen universellen Stil geben, da Irren menschlich ist, eine universelle Behandlung jeder Stellung gerade auf Fehlerfreiheit in der Einschätzung der Lage beruht. Diese These widerspricht der gängigen Literaturauffassung z.B. zu Em. Laskers Spielweise, die doch in weiten Kreisen als universell bezeichnet wurde. Abschließend verweist der Autor auf den interessanten Fakt, dass sich die Fragen nach dem Spielstil und auch die ganze Attraktivität des Schachs allgemein vor allem durch die Ungewissheit des besten Zuges in einer Stellung ergeben.
Kapitel 2 befasst sich in 25 Seiten mit taktischen Verwicklungen. Eingorn beschreibt die Taktik provokant als „Zufallsvariable im Schach". Gleichzeitig eigne sie sich vorteilhaft als Sprungbrett für andere Stellungstypen, auch diene sie dem Erreichen strategischer Ziele. Wichtig sei, dass in taktischen Stellungen keine generellen Erwägungen helfen und auch keine objektive Stellungseinschätzung möglich sei. Taktik bilde auch in der Theorie noch ein Schwarzes Loch, da es bisher keinem Autor gelungen sei, die taktischen Motive zu kategorisieren. Typische Fehlerquellen in taktischen Stellungen seien mangelhaftes Variantenrechnen und das Unterschätzen der gegnerischen Möglichkeiten. Vor allem in diesem Kapitel erschlägt den Leser förmlich die enorme Variantenflut des erfahrenen GM. Das dritte Kapitel bringt dem Leser auf rund 20 Seiten die Vorteile der aktiven Verteidigung am Beispiel von sieben Eingorn-Partien und einem Endspiel nahe. Die aktive Verteidigung in einer quasi verlorenen Stellung entpuppe sich häufig als einziger Hoffnungsschimmer. Heutzutage spähten aber viele Spieler zu ungeduldig nach scheinaktiven Zügen und konterten übereilt, statt geduldig die schlechtere Stellung zu verteidigen. Der richtige Zeitpunkt, um zu radikalen Methoden wie z.B. zu Opfern zu greifen, sei hier entscheidend für den weiteren Verlauf der Partie.
Ein Gespür für Gefahr möchte Kapitel 4 vermitteln. Getreu dem Motto „Wer gewarnt ist, ist bewaffnet", sollte man nicht blind der Theorie und den GM-Zügen vertrauen, wenn einem die entstehende Stellung suspekt ist. Von grundlegender Bedeutung ist Eingorns Erkenntnis der menschlichen Fehlerhaftigkeit im Variantenrechnen, welche folglich durch eine Variantenlimitierung, basierend auf dem Stellungs- und Gefahrengefühl, kompensiert werden müsse. Aber auch strategische Fehler seien auf Grund der gestiegenen technischen Verwertungsmöglichkeiten der Spieler gleich schlimm wie taktische. In kritischer Stellung müsse man daher v.a. auf seine Erfahrung vertrauend ein zumutbares Risiko definieren und den drohenden Gefahren in der Stellung so Paroli bieten. Positiv fällt auf, dass Eingorn hier oft in der Ichform schreibt und so Einblick in sein Denken während der Partie gewährt. Kapitel 5 beschäftigt sich mit unkorrektem Spiel, oft verursacht durch Zeitnotfehler, schlechte Pläne, schablonenhaftes Vorgehen etc. Der Abschnitt umfasst knapp 25 Seiten inkl. 9 Partien und einer Analysestellung. Eingorn relativiert erst einmal den negativen Sinngehalt des Titels mit der Aussage, ein schlechter Plan sei besser als keiner. Auch sei die permanente Widersprüchlichkeit von Spielgeschehen und Variantenberechnung eine häufige Fehlerquelle. Um sie auszuschalten, bedürfe es ständiger Überprüfung des aktuellen Spielgeschehens. Kapitel 6 stellt vielleicht das wichtigste Kapitel im ganzen Buch dar. Es handelt vom Erreichen und Verwerten einfacher Positionen, in denen ein strategisches Thema vorherrschend ist. Neun Eingorn-Partien auf 20 Seiten stellen solche eindeutig identifizierbaren Handlungspläne dar. Als Beispiel wäre hier das gegenläufige Rochieren mit anschließendem Bauernsturm auf die Königsfestung zu nennen: Die Pläne sind fest abgesteckt, der Schnellere gewinnt. Andere einfache Stellungen sind z.B. das Spiel gegen einen schlechten Läufer mit Absperrung oder das Spiel mit bzw. gegen einen Isolani. Das Nachdenken über sinnvolle Pläne fällt weg, weil die Strategie offensichtlich ist. Auch alle theoretischen Endspiele zählen zu solchen einfachen Stellungen. Einfach Stellungen sind also erkennbar an den beschränkten Möglichkeiten beider Parteien. Das Spiel auf solche Positionen hin verspreche anfangs nur einen geringen, aber dauerhaften Vorteil. Da viele Spieler schon früh mit einem „Brecher" alles klarmachen wollten, sei dieses minimalistische Reduzieren auf einfache Stellungen nicht beliebt. Dennoch ist diese Spielweise im Stile Karpows von grundsätzlicher Bedeutung in ausgeglichenen Stellungen. Kapitel 7 behandelt den Ideenprozess im Schach. In diesem Abschnitt erläutert Eingorn v.a. anhand von Endspielsituationen die Suche nach Ideen im Schach. Motiviert sei solche intensive Suche v. a. durch eine extreme Position des Spielers, in der er z.B. klar schlechter stände und den rettenden Zug braucht. Eingorn spricht zum Abschluss dieses Kapitels auch die traurige Wahrheit an, dass man Ideen im praktischen Spiel oft genug zu spät sieht oder aber den Variantenzweig einer Idee nicht genau genug vorausberechnen könne; ein Patentrezept dagegen kennt auch er nicht. Im 8. Abschnitt findet ein kleiner Gedankenaustausch statt vom Autor zum Leser, Eingorn geht intensiv auf die Themen Ideenrealisierung und Analogiemuster ein. Dieses Kapitel ist mit 14 Partien auf 24 Seiten umfangreicher als alle vorherigen. Kritisch spricht der Autor den starken Einfluss der Schachliteratur auf den Spieler an, welcher den nicht immer positiven Einfluss aus nicht immer fehlerfreien Schachbüchern abstreifen und sich selbst ein paar Gedanken zum Spiel machen sollte. Nur so könnte man zum eigenen Stil finden und ein starker Spieler werden. Der Autor schließt das Kapitel mit dem Hinweis, nur durch ein breites Eröffnungsrepertoire und viel Wissen könne man es im Schach zu Ideenreichtum bringen, jeder Spieler sei schließlich die Summe seines Wissens und seiner Erfahrung. Im angehängten 25-seitigen Kapitel 9 legt Eingorn dem Leser noch 18 Stellungen zur Analyse vor (11 zum Mittelspiel, 7 zum Endspiel). So kann der Leser auch sein dazugewonnenes Wissen überprüfen. Eingorn ermutigt ausdrücklich zu eigenen Plänen, statt nur den Partieverläufen und Kommentaren des GMs im zweiten Teil des Kapitels zu folgen - womit er sich selbstkritisch mit der vorher geäußerten einnehmenden Wirkung von Schachliteratur auseinandersetzt. Analysen seien für jeden Schachspieler unverzichtbar und dürften keinem Computer überlassen werden.

FAZIT:
Eingorn ist mit seinem Werk über die Ideenfindung im Schachspiel ein guter Einstand in die Schachliteratur gelungen: Da schreibt einer, der etwas von seinem Fach versteht, das spürt der Leser in jeder Zeile. Das Ziel des Buches, die Entscheidungsfindung im Schach und die Wahl zwischen Intuition und Kalkulation verständlicher zu machen, wurde erreicht. Eingorn untersuchte ein Thema, das in der Schachliteratur kaum behandelt wird. Ausbaufähig ist es in jedem Fall, man denke z.B. an die Aspekte der Zeitnot, der besonderen Partiebedeutung und andere psychologische Faktoren im Prozess der Entscheidungsfindung.

Michael Wolff, Rochade Europa 02/2004

Das Buch besteht aus 9 Kapiteln:
1. Individualität und Stil,
2. Taktische Komplikationen,
3. Aktive Verteidigung,
4. Gespür für Gefahr,
5. Unkorrektes Spiel,
6. Simple Stellungen,
7. Suche nach einer Idee,
8. Meinungsaustausch,
9. Analysiere das.

Auf der Basis von vielen lehrreichen Partien und Stellungen hat der Autor die Ideenfindung im Schachspiel erleuchtet. Er hat auch viele psychologische Faktoren im Prozess der Entscheidungsfindung erklärt. Ein interessantes Buch!

Jerzy Konikowski, Fernschach International 2004/01


Es ist schon erstaunlich, wie der englische Verlag Gambit Publications immer wieder hochwertige Lehrbücher und neue Autoren hervorbringt.
Schon in der letzten Ausgabe konnten wir Ihnen Bücher wie "Secrets of Chess Defense" vorstellen, und auch diesmal gibt es anspruchsvolle Neuerscheinungen: "Chess Strategy in Action" von John Watson sowie zwei Erstlingswerke: "Creative Chess Strategy" von Alfonso Romero und "Decision-Making at the Chessboard" von Viacheslav Eingorn, auf welches wir nun eingehen wollen.
Eingorn ist ein sehr erfahrener Großmeister (ELO ca. 2.600), der sich bestens mit den praktischen Problemen auskennt, um die es in diesem Buch geht. Im Mittelpunkt stehen die zahlreichen Entscheidungen, die wir in jeder Partie treffen müssen.
Zunächst zeigt Eingorn, wie stark unsere Züge von unserem Stil abhängen. Interessante Beispiele machen deutlich, wie unterschiedlich verschiedene Spieler an eine bestimmte Stellung herangehen und wie ihre guten und schlechten Züge von ihrer Persönlichkeit geprägt sind.
Weiter geht es mit ,Taktischen Komplikationen'. Auch hier ist es natürlich eine Frage des Geschmacks, wie sehr man auf Verwicklungen setzt, es geht aber auch um die Frage, wie man am Brett darauf reagiert.
,Aktive Verteidigung' ist ein wichtiges Schlagwort des modernen Schachs, und so versucht Eingorn im nächsten Kapitel Tipps zu geben, wann und wie man sich aktiv zur Wehr setzen sollte.
Die weiteren Themen fassen wir kurz in Stichworten zusammen: ,Ein Gefühl für Gefahr', ,inkorrektes Spiel', , Einfache Positionen' (gemeint sind Stellungen, in denen ein bestimmtes strategisches Thema eindeutig im Vordergrund steht) und ,Auf der Suche nach einer Idee'.
Im letzten Kapitel hat Eingorn noch eine Sammlung von 18 anspruchsvollen Aufgaben zusammengestellt, die der Leser selbständig analysieren soll. Dabei handelt es"sich natürlich nicht um Taktik-Aufgaben á la "Weiß zieht und gewinnt", gefragt sind vielmehr Vertiefen in die Stellung und das Entwerfen eines vernünftigen Planes.
Nach dem Studium dieses gelungenen Buches sollte es dem Leser etwas leichter fallen, am Brett die richtigen Entscheidungen zu treffen und eine gute Balance zwischen Intuition und Berechnung zu halten.
Bei der Zusammenstellung des Materials hat der Autor übrigens überwiegend auf Beispiele aus seiner Praxis zurückgegriffen, die er hier gut kommentiert hat. Somit erhält der Leser nebenbei auch noch lehrreiche Partien, die sein positionelles Verständnis weiter bringen werden.

Schachmarkt 02/2004


Decision-Making at the Chessboard ist das bemerkenswerte Erstlingswerk des ukrainischen Großmeisters Viacheslav Eingorn. Ein strukturiertes Lehrbuch über Denk- und Entscheidungsprozesse ist es allerdings nicht. Der Autor vermittelt Inhalte weniger durch lange Traktate, als vielmehr durch interessantes Partienmaterial. Die in die Analysen eingeflochtenen Ratschläge und Erkenntnisse geben tiefe Einblicke in die Denkweisen eines Großmeisters mit einer Elo-Zahl über 2600.
Eingorn präsentiert 70 seiner eigenen Partien, die er mit einigen Klassikern ergänzt. Natürlich umfasst eine solche Auswahl nur einen begrenzten Eröffnungsausschnitt - nämlich das Repertoire Eingorns - aber andererseits legt er dadurch wenig bekanntes, erfrischend neues Material vor.
Eingorns Stellungsbewertungen sind präzise und originell. Er versteht es, die kritischen Momente der Partie zu akzentuieren. Der schöne Stil und die verständlichen Erklärungen schwieriger Zusammenhänge in einer bildhaften Sprache sind ein Genuss. Über Taktik heißt es einmal: „Tactics is like a cat that likes to 'go its own way'. Going for a walk with it is most interesting, but a player doesn't always know where it is going to lead him. Luck therefore becomes a major factor, and the result too often depends on defensive or attacking resources that arise by chance." Die Offenheit überrascht, mit der Eingorn eingesteht, dass bei taktischen Verwicklungen Glück und Unberechenbarkeit zum steten Begleiter auch eines Großmeisters seines Kalibers gehören.
Das Buch gliedert sich in neun etwa gleichlange Kapitel, die sich mit Aspekten wie Stil, aktiver Verteidigung, das Spiel in einfachen Stellungen oder dem Gefühl für Gefahr beschäftigen, um nur einige zu nennen. Die Überschriften dienen allerdings eher als grobe Orientierung, denn die Partien beinhalten weit mehr, als die Kapiteltitel andeuten. Denn bei allen seinen Analysen erteilt Eingorn dem Leser willkommene Ratschläge, die alle Phasen der Partie betreffen.
Obwohl jedem Kapitel eine kurze Einleitung vorangestellt ist, bleibt das Fehlen eines Vorwortes, das die Ausführungen in einen Gesamtzusammenhang stellen könnte, bedauerlich.
Im ersten Kapitel über Individualität und Stil unterzieht Eingorn einige Klassiker einer kritischen Betrachtung und gelangt zu interessanten Ergebnissen. Zur Partie Reti - Aljechin, Baden-Baden 1925, die als eine der besten Leistungen des Weltmeisters gilt, kommt er zu der Erkenntnis: „His tactics are remarkable, but his strategy occupies a worthy second place." An anderer Stelle vergleicht Eingorn, wie Nimzowitsch und Bronstein die gleiche Stellung bewerten, um zu zeigen, wie unterschiedlich Großmeister denken. Während der eine von der eigenen Struktur ausgeht, sieht der andere vor allem die Möglichkeiten seines Gegners.
Schließlich ist das letzte Kapitel erwähnenswert, in dem 18 Stellungen zum Analysieren geboten werden. Die Positionen haben jedoch keine eindeutigen Lösungen und sollen den Leser eher zu einem eigenen Stellungsverständnis anregen. Hier wird noch einmal deutlich, wie wenig dogmatisch Eingorn ist. Der Autor schreibt: „If you agree with me - good. If you are prepared to stand up for your own opinion - that is even better."
Fazit: Es verwundert, dass Eingorn erst mit 47 mit dem Schreiben begonnen hat. Decision-Making at the Chessboard ist ein gleichermaßen unterhaltsames wie lehrreiches Schachbuch. Bleibt zu hoffen, dass es nicht seine letzte Publikation war.

Zeitschrift KARL 01/2004
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